Hansel-Mieth-Preis und Gabriel-Grüner-Stipendium

Im Jahr 2024 vergibt Zeitenspiegel Reportagen zum 26. Mal den jährlich ausgeschriebenen Hansel-Mieth-Preis – und zum 25. Mal das ebenfalls jährlich ausgeschriebene Gabriel-Grüner-Stipendium. Dieses fördert die Recherche eines schreibenden und fotografierenden Teams.

Der Hansel-Mieth-Preis

Der Hansel-Mieth-Preis ist eine journalistische Auszeichnung für herausragende Reportagen in deutschsprachigen Medien. Der Preis bewertet Text und Fotografie zu gleichen Teilen und hat dadurch ein Alleinstellungsmerkmal. Nicht nur die Qualität der Reportage ist dabei ein Kriterium, sondern auch ihre Engagiertheit und soziale Relevanz.

Der Hansel-Mieth-Preis ist mit 6000 Euro dotiert. Einsendefrist ist immer Mitte Januar.

Die Preisverleihung 2023

Unter großer Anteilnahme wurde am 20. September 2023 in Fellbach der Hansel-Mieth-Preis vergeben. Mit der Auszeichnung würdigte die Reportergemeinschaft Zeitenspiegel Reportagen zum 25. Mal herausragende engagierte Reportagen in Wort und Bild, „das ist wichtiger denn je“, wie die Fellbacher Oberbürgermeisterin Gabriele Zull bei ihrer Begrüßung der rund 200 Gäste im Großen Saal des Rathauses sagte.

Mit dem Preis erinnert Zeitenspiegel Reportagen ans 1998 verstorbene Ehrenmitglied Johanna „Hansel“ Mieth, die sich als Fotoreporterin für das amerikanische Magazin Life sozialen Themen widmete. 2023 ging die Auszeichnung an das Team Rudi Novotny (Text) und Anne Morgenstern (Fotos). Ihre im Zeit Magazin veröffentlichte Reportage „Ich will eine normale Frau sein. Einfach so“ ist das Ergebnis einer achtjährigen Begleitung: Mit zwölf Jahren beschließt Ella, dass sie nicht mehr Eliah heißen will. Zwischen ihr und ihrem Ziel, eine Frau zu werden, liegen Jahre voller Euphorie und Enttäuschung, Hoffnung, Verzweiflung und Liebe.

Für die Jury fasste Gesa Gottschalk die Preisentscheidung zusammen. „Geht das? Nach einem Jahr Krieg in Europa“, sagte die Redakteurin des Magazins Geo mit Blick auf den Krieg in der Ukraine – im Schatten eines sehr dominierenden Thema die Auszeichnung für eine Coming-of-Age-Geschichte? „Natürlich geht das“, sagte Gottschalk. „Denn das Private an Ellas Geschichte ist nur scheinbar privat.“ Die Reporterin verwies auf die zahlreichen Gewalttaten gegen Transgender. „‘Es geht nicht um eine Schönheitsoperation‘“ zitierte Gottschalk Ella, „‘es geht um mein Leben‘“.

v.l.n.r.: Roman Pawlowski und Joachim Rienhardt (Nominierte), Anne Morgenstern und Rudi Novotny (Preisträger), Gesa Gottschalk (Laudatio), Eva Hosemann (Lesung), Frank Plasberg (Festrede)

In seiner Festrede zum 25-jährigen Jubiläum des Preises ging Frank Plasberg auf die Lage des Journalismus in Deutschland ein. „Der Hansel-Mieth-Preis ist der Hidden Champion unter den Journalistenpreisen“, sagte der Journalist und Fernsehmoderator vorab. Und beschrieb die Reportergemeinschaft Zeitenspiegel Reportagen mit den Worten: „Reich sind diese Leute nicht geworden, aber offenbar glücklich.“

Dann thematisierte Plasberg allgemeine Entwicklungen in Deutschland, er kritisierte einen von ihm ausgemachten Haltungsjournalismus, den „Wunsch, auf der richtigen Seite zu stehen, zum Maßstab journalistischen Handelns zu machen“. Als Beispiel führte der langjährige Moderator der Sendung „Hart aber fair“ den Fall Gil Ofarim an, in dem der Musiker Vorwürfe von Antisemitismus gegen Hotel-Mitarbeiter erhoben hatte – aber nun selbst vor Gericht wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung angeklagt ist. „Haltung zeigen, das ist für mich ein Platzhalter geworden, um die Grenzen zwischen Journalismus und Aktivismus aufzuweichen“, sagte Plasberg. Für den Journalismus „sollte es doch reichen, statt Haltung Anstand zu zeigen“.

Plasberg appellierte, mehr auf das eigene Bauchgefühl zu hören, und plädierte für Lebenserfahrung. „Wenn bezahlter Journalismus eine Zukunft haben will, müssen wir für unsere gesteigerte Kreditwürdigkeit sorgen.“

Der Hansel-Mieth-Preis ist mit 6000 Euro dotiert. Während der Veranstaltung las die Regisseurin und Intendantin Eva Hosemann rund ein Viertel der Siegerreportage vor. Als sie endete, war es für einen langen Moment still, bevor Applaus aufbrandete.

Bei all diesen ernsten Themen gab es eine musikalische Begleitung durch den Abend, und zwar durch den beschwingenden Chor „rahmenlos & frei“ der Vesperkirche Stuttgart – mit Songs wie „Morning has broken“ und „Country Roads“, bei denen das Publikum am Ende begeistert mitsang.

Das Gabriel-Grüner-Stipendium 

Das Stipendium erinnert an den aus Mals in Südtirol stammenden stern-Reporter Gabriel Grüner, der am 13. Juni 1999 während einer Recherche im Kosovo ermordet wurde. Es ist mit 6000 Euro dotiert. Zusätzlich erhalten Autorin oder Autor und Fotografin oder Fotograf ein zweimonatiges Residenzstipendium der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart.

Das Gabriel-Grüner-Stipendium 2023 geht an die Autorin Nora Belghaus und die Fotografin Helena Lea Manhartsberger für das Projekt „Unter der Erde die Wahrheit“.

Die feierliche Verleihung war am 5. Oktober 2023 in Mals, Südtirol.

Die Auszeichnung

Die Jury des Hansel-Mieth-Preises trifft sich jedes Jahr Anfang März zur Auswahl der Preisträgerinnen und Preisträger. Die zehn besten eingereichten Reportagen werden in einem hochwertigen Buch veröffentlicht, gemeinsam mit einer aktuellen Reportage, deren Entstehung durch das Gabriel-Grüner-Stipendium ermöglicht wurde. Zudem wird im Buch auch die Gewinnergeschichte des Gabriel-Grüner-Schülerpreises, eine von Südtiroler Schülerinnen und Schülern erstellte Reportage veröffentlicht. Das Jahrbuch dokumentiert auf diese Weise seit 25 Jahren Zeitgeschichte auf einzigartige Weise, in lebendigen Reportagen.

Die Namensgeber: Hansel Mieth und Gabriel Grüner

Hansel Mieth

Hansel Mieth - Portrait
Hansel Mieth – Portrait

In den 1930er Jahren aus dem schwäbischen Fellbach in die Vereinigten Staaten von Amerika ausgewandert, war Hansel Mieth eine der ersten Frauen im Fotografenteam des US-Magazins Life. Sie verstarb 1998 auf ihrer Farm im kalifornischen Santa Rosa. Hansel Mieth ist Ehrenmitglied bei Zeitenspiegel Reportagen.

Gabriel Grüner

Gabriel Grüner - Redaktionssitzung
Gabriel Grüner

Autor im Auslandsressort des “Stern”. 1999 wurde er mit zwei Kollegen während einer Recherche im Kosovo im Alter 34 Jahren ermordet. Gabriel Grüner war ein Zeitenspiegel-Freund und Mitinitiator des Hansel-Mieth-Preises.

Die Ausschreiber: Zeitenspiegel Reportagen

Zeitenspiegel ist eine Gemeinschaft von Reporterinnen und Reportern, Fotografen und Organisationskräften. Sie arbeitet frei für Verlage und Sendeanstalten im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus. Zeitenspiegel wurde 1984 gegründet und entwickelte ein Modell professioneller und solidarischer Zusammenarbeit, was die Gruppe mit ihren 20 bis 30 Mitgliedern zu einer Besonderheit in Deutschland macht. Der Hauptsitz befindet sich in Weinstadt; Außenbüros sind in Kopenhagen, Manila, Peking, Hamburg und Berlin.

Herausgeber des Hansel-Mieth-Preises und des Gabriel-Grüner-Stipendiums ist der gemeinnützige Verein Gabriel-Grüner-Stipendium e.V. mit Sitz in Weinstadt.

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